Bewohner unseres Stadthauses – Arthur Schnitzler
- dasroosevelt
- 27. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Nur wenige Autoren sind so eng mit Wien um 1900 verbunden wie Arthur Schnitzler – Arzt, Schriftsteller und feinsinniger Beobachter der Wiener Gesellschaft.

Geboren 1862 in der Leopoldstadt, studierte Schnitzler Medizin und arbeitete zunächst am Allgemeinen Krankenhaus. Schon früh begann er zu schreiben – über die Unsicherheiten der Liebe, über Schein und Moral und über die feinen Risse im Selbstbild des Bürgertums. Werke wie Liebelei, Reigen oder Fräulein Else machten ihn zu einer der zentralen Stimmen der Wiener Moderne. Seine psychologische Genauigkeit brachte ihm den Ruf eines literarischen Gegenstücks zu Sigmund Freud ein – die beiden kannten sich flüchtig, und Freud soll einmal gesagt haben, Schnitzler habe „durch Intuition all das erkannt, was er selbst durch mühsame Analyse herausgefunden“ habe.
Von 1893 bis 1903 lebte Arthur Schnitzler in der Frankgasse 1, dem heutigen Roosevelt Stadthaus. Dort befand sich nicht nur seine Wohnung, sondern auch seine Privatpraxis als Arzt. Er empfing Patientinnen und Patienten, schrieb parallel literarische Texte und führte sein berühmtes Tagebuch, in dem er medizinische Beobachtungen, Begegnungen und persönliche Gedanken festhielt.
Seine Räume wurden von Adolf Loos gestaltet – einem der bedeutendsten Architekten und Kulturkritiker seiner Zeit. Loos richtete sie schlicht und funktional ein, ganz im Gegensatz zum damals üblichen Prunk. Zeitzeugen berichten, Schnitzler habe sich dort besonders wohlgefühlt, weil die Wohnung „keine Bühne, sondern ein Rückzugsort“ gewesen sei.

Die Umgebung passte zu ihm: Das Viertel zwischen Votivkirche, Universität und Alsergrund war geprägt von intellektuellem Leben und bürgerlicher Stabilität – ideale Voraussetzungen für jemanden, der wie Schnitzler die Psychologie des Wiener Alltags studierte. In seinen Tagebüchern notierte er Spaziergänge durch die Währinger Straße, Abende im Café Griensteidl oder im Central, Begegnungen mit Peter Altenberg, Hugo von Hofmannsthal und anderen Größen der Wiener Moderne.
Eine bekannte Episode erzählt, wie Hofmannsthal ihm nach Jahren der Freundschaft plötzlich den Kontakt entzog – aus Unbehagen über Schnitzlers schonungslose Offenheit. Der Schriftsteller, der die innersten Motive seiner Figuren freilegte, machte auch vor sich selbst nicht halt: Über Jahrzehnte führte er Tagebuch mit fast lückenloser Ehrlichkeit, notierte Begegnungen, Träume, Zweifel und Affären.
Schnitzlers Bedeutung für die Literatur reicht weit über seine Zeit hinaus. Er war einer der ersten, der das Unbewusste, die Selbstwahrnehmung und die inneren Konflikte seiner Figuren ins Zentrum stellte. Seine präzise Sprache, seine Nähe zur Psychologie und sein unbestechlicher Blick auf die Gesellschaft prägten Generationen von Schriftstellern – und inspirieren bis heute Theater- und Filmregisseure weltweit. Stanley Kubrick etwa adaptierte seine Traumnovelle 1999 als Eyes Wide Shut mit Tom Cruise und Nicole Kidman.

Arthur Schnitzler starb 1931 in Wien. Seine frühere Wohnung in der Frankgasse ist bis heute erhalten und zeugt von einer Epoche, in der Literatur, Architektur und Psychologie in Wien eng miteinander verbunden waren.



